Die koreanische Netflix-Serie „Squid Game“ ist derzeit in aller Munde – nicht nur beim eigentlichen Zielpublikum der Erwachsenen, sondern auch auf Schulhöfen und gar in Kindergärten. Der Hype um die Serie wird in besonderem Maße durch das Internet weitergetragen: In den Sozialen Medien stellen Influencer:innen die Challenges der Serie nach, große Mengen schnell und billig produzierter Free2Play-Apps zur Serie überfluten die Stores und werden von Let’sPlayer:innen angespielt und damit promotet. Auf diese Weise erreicht „Squid Game“ auch die Jüngsten. jugendschutz.net hat sich die Verbreitung der Squid-Game-Thematik näher angeschaut, um das Phänomen verständlich zu machen und es unter Jugendschutzgesichtspunkten einzuordnen.
Squid Game – Worum geht’s?
In der Serie werden hoch verschuldete Menschen dazu eingeladen, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Dem Gewinner winkt ein extrem hoher Geldbetrag, bereitgestellt durch eine anonyme Gesellschaft aus Superreichen, die den Wettbewerb ausrichtet. Die Teilnehmer:innen treten in verschiedenen Kinderspielen gegeneinander an, wobei Versagen einen hohen Preis hat: Wer in einem Spiel ausscheidet, wird hingerichtet. Am Ende bleibt lediglich ein Kandidat übrig.
Die koreanische Serie avancierte schnell zur bislang erfolgreichsten Netflix-Serie. Aufgrund der schwer verdaulichen Thematik und der expliziten Gewaltdarstellungen weist Netflix eine offizielle Altersempfehlung von 16 Jahren aus.
Squid Game-Spiele: Milde Gewalteffekte und Förderung exzessiver Nutzung
Zum Zeitpunkt der Recherche konnten über die Suche nach “Squid Game” über 200 Apps im Google-Play-Store ausgemacht werden. Das Spielprinzip ähnelt sich stark: Meist müssen die Nutzer:innen unter Zeitdruck Minigames absolvieren, die sich an den einzelnen Wettbewerbs-Spielen der Serie orientieren. Besonders häufig handelt es sich um “Rotes Licht, Grünes Licht”, eine Variante des hier geläufigen Kinderspiels „Ochs am Berg“. Wie in der Serie hat hierbei auch ein Versagen die Erschießung der Spielfigur zur Folge. Die Gewaltdarstellungen in den Apps sind im Vergleich zu jenen in der Serie mild, bedingt durch Abstraktionsgrad und Comic-Optik der Spiele. Dennoch wird z. B. häufig das Erschießen der Spielfiguren durch Schussgeräusche und Schmerzensschreie begleitet, teilweise spritzt Blut. Zum Teil kann von einer Entwicklungsbeeinträchtigung für Kinder ausgegangen werden. Die durch IARC ermittelten Altersangaben variierten von USK 0 bis USK 18 stark. Vier der neun Free2Play-Apps wurden zum Zeitpunkt der Recherche aufgrund der Gewaltdarstellungen und des nervlich anspannenden Spielprinzips von jugendschutz.net als zu niedrig bewertet eingeschätzt. Mittlerweile wurde eine der Apps gelöscht und bei einer weiteren das Alterslabel auf USK 16 angehoben.
Auch auf der Spieleplattform Roblox lässt sich eine große Zahl an Adaptionen der Serie finden. Milde Gewaltelemente sind auch hier vorhanden, wenn auch in einer sehr abstrahierten Form. Dennoch ist auch hier das Spielprinzip: Versage – und deine Spielfigur wird hingerichtet. Roblox besitzt ein Alterslabel USK 12, wird jedoch häufig von einer weit jüngeren Zielgruppe rezipiert. Auch wenn die Gewaltdarstellungen hierbei abstrakt bleiben: Es ist davon auszugehen, dass bereits sehr junge Kinder hier in Kontakt mit der Serie kommen und durch die teils sehr detailreichen Nachbauten der Spiele einen Eindruck über diesen Teil der Handlung gewinnen.
Sowohl die gesichteten Apps als auch die Roblox-Spiele enthalten Elemente, die die Spieler:innen gezielt unter Handlungsdruck setzen. Ablaufende Timer, Highscorelisten, kurze Runden und die ständige Gefahr der Exekution der Spielfigur sorgen für zusätzlichen Thrill, können aber vor allem bei jüngeren Nutzer:innen extremen Stress auslösen oder eine exzessive Nutzung fördern.
Zu den Spiele-Apps und Roblox-Spielen findet sich auf Plattformen wie YouTube oder Twitch eine Vielzahl von Let’s Play-Videos. Auch diese Videos sind für sich genommen im Einzelfall kaum problematisch, wenngleich sie natürlich ebenjene milden Gewaltelemente der Spiele reproduzieren. In ihrer Gesamtheit jedoch tragen sie erheblich dazu bei, bestimmte Handlungen der Serie auch bei einem jungen Publikum bekannt zu machen, da viele reichweitenstarke LetsPlayer:innen besonders von Kindern und Jugendlichen rezipiert werden.
Challenges in Social Media: Bestrafungen sorgen für Spaß und Spannung
Auch auf den beliebten Social Media Diensten ist eine große Menge an Inhalten zum Thema zu finden. Neben klassischen Trailern und Rezensionen zur Serie gibt es beispielsweise auf YouTube und TikTok eine Vielzahl an Videos, in denen einzelne oder mehrere Spiele der Serie nachgespielt werden. Die Inhalte werden oftmals von reichweitenstarken Kanälen bzw. Profilen verbreitet und erreichen mitunter, auch bedingt durch den Hype, immense Klickzahlen. Meist treten junge Erwachsene als Kandidat:innen an, als Preis locken zum Teil Geldgewinne. In Anlehnung an „Squid Game“ ist ein Ausscheiden hier ebenfalls häufig mit Bestrafungen verknüpft, die sich in den einzelnen Videos teils stark in Art und Intensität unterscheiden. Sie reichen von dem Zwang, extrem scharfes Essen zu sich zu nehmen, über das Begossenwerden mit kaltem Wasser bis hin zu Schüssen aus Softair- oder Paintball-Waffen. Die gezeigten Wettbewerbe wirken wie ein spaßiger, gemeinschaftlicher Zeitvertreib. Die Bestrafungen steigern die Spannung und werden als witzige, wenn auch teils schmerzhafte Höhepunkte inszeniert.
Besonders junge Zuschauer:innen könnten dazu angeregt werden, gezeigte Handlungen nachzuahmen. Problematisch sind dabei nicht die Spiele an sich, bei denen es sich wie in der Serie um harmlose Kinderspiele handelt. Vielmehr sind es die möglichen Bestrafungen als Folge des Verlierens, die bei Nachahmung schlimmstenfalls zu Verletzungen führen könnten. Allerdings schätzt jugendschutz.net keines der gesichteten Videos als jugendgefährdend ein, in Einzelfällen kann von einer Entwicklungsbeeinträchtigung für Kinder ausgegangenen werden.
Auch die Social-Media-Anbieterinnen reagieren auf den Hype um die Serie und stellen, wie im Fall von TikTok und Instagram, diverse Filter zur Verfügung, mit deren Hilfe sich die Nutzer:innen z. B. selbst als SquidGame-Kandidat:innen inszenieren können. Die Fotobearbeitungsoptionen sind durch die Bank harmlos, tragen jedoch ihren Teil zur Verbreitung des Hypes bei.
Fazit
„Squid Game“ ist ein aktuelles Beispiel für die rasante mediale Verbreitung und Verselbstständigung eines Phänomens. Als Folge des Serienerfolgs wurde das Thema intermedial vielfältig aufgegriffen, abgewandelt und zur Generierung von Aufmerksamkeit, Klicks und Geld genutzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch Kinder und Jugendliche, die eigentlich noch zu jung für die ab 16 Jahren freigegebene Serie sind, mit der Thematik in Berührung kommen, steigt dadurch enorm. Damit gehen aus Jugendschutzsicht zwei Risiken einher: Zum einen könnte die Allgegenwart der Serie auf Spieleplattformen und in den Sozialen Medien auch bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren Begehrlichkeiten wecken, sich die Serie anzusehen, um auf dem Schulhof besser mitreden zu können. Zum anderen ist die Auswahl der Inhalte, die durch den Hype zu den Kindern und Jugendlichen transportiert wird, problematisch: In den Spielen und Videos wird der Aspekt der mit dem Versagen bei harmlosen Spielen verknüpften Bestrafung aus dem der Serie immanenten gesellschaftskritischen Kontext gerissen. Die Bestrafungen sind hier nicht mehr als grausam und unmenschlich dargestellt, sondern ein spannungssteigerndes Element, das Spaß verspricht. So ist das Gefährdungspotential der einzelnen Spiele und Videos zwar gering, die Reduktion der Serienhandlung allein auf den Aspekt von Spiel und Bestrafung kann jedoch in ihrer derzeitigen Allgegenwart zum Problem werden, wenn Kinder und Jugendliche unreflektiert nachahmen.
(Stand: 25.11. 2021)