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Zugehörigkeit und Regionalität:

Rechtsextreme locken Jugendliche mit Gemeinschaftsversprechen


Auf den bildzentrierten Diensten TikTok und Instagram veröffentlichen rechtsextreme Akteure in letzter Zeit verstärkt Inhalte, die auf den ersten Blick unverfänglich wirken. Gemeinsame Unternehmungen, v.a. Outdoor-Aktivitäten wie Wandern oder Sport stehen in den Bildern und Videos im Vordergrund. Nur nebensächlich wird die politische Gesinnung vermittelt, etwa durch die Nutzung szenetypischer Codes, Kleidung oder Musik. Zentral ist der Versuch, ein Gemeinschaftsgefühl zu kreieren, wodurch besonders jüngere Menschen zum Mitmachen animiert werden sollen. Extremistisches Gedankengut und politische Botschaften werden dabei eher nebenbei oder möglichst unterschwellig vermittelt.

Typisch sind schnelle Schnitte sowie härterer Musik (z.B. Hardcore-Techno oder Rock) als Untermalung. Themen bzw. Motive sind gemeinschaftliche Aktivitäten: Wanderungen, das Verteilen von Stickern, aber auch Schießübungen.
Die dargestellten männlichen Personen tragen einheitlich schwarze Jacken, Jeans, Sneaker und die gleichen Frisuren. Diese Uniformität wird von den Creator:innen bisweilen selbst aufgegriffen: So wird in einem TikTok-Video gezeigt, wie sich die Akteure gegenseitig im selben Look frisieren. Das identische Auftreten verstärkt das potenzielle Gefühl der Zugehörigkeit und grenzt nach außen hin ab. Hinzu kommt, dass die Personen meist von hinten oder im Anschnitt gezeigt werden, sodass die Gesichter nicht zu erkennen sind. Die Anonymität verleiht dieser Gemeinschaft etwas Geheimnisvolles und Verschworenes, was für Jugendliche reizvoll sein kann.
Auf der Bildebene wirken die Videos teilweise idyllisch, beispielsweise wenn junge Menschen auf einer gemeinsamen Wanderung gezeigt werden.

Dabei steht die ruhige Naturlandschaft, v.a. Wälder und Berge bei Sonnenschein in Kontrast zur musikalisch-aggressiven Audio-Ebene und ggf. einem stark verzerrten Voice-over-Kommentar. In einem Beispiel wendet sich diese Erzähler:innenstimme harsch an die Zuschauer:innen ("Wake up, weak fuck!") und beschwört das verschwörungsdenkerische Bild einer feindlichen sozialen Umwelt: Die Welt wolle einen kleinhalten, abhängig machen und zu degenerierten Schafen erziehen („This world wants you to be a soft dog. They want you to be addicted. Don't fall for it. You're not going to be a lazy degenerate sheep“). Quasi in Reaktion oder als Widerstand solle man der oder die Stärkste der eigenen „Blutlinie“ werden („You have to become the strongest in your bloodline“). Die Betonung der Abstammung in Kombination mit körperlicher Stärke ist ein im Rechtsextremismus häufig genutzter Topos, mit dem eine Ideologie der Ungleichwertigkeit und die Überlegenheit der „weißen Rasse“ propagiert wird.

Rechtsextreme Jugendorganisation ködern mit Freizeitaktivitäten

Auch die Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ) im Vogtland, Regionalableger der Jugendorganisation der rechtsextremen Kleinpartei „Der III. Weg“, stellt auf ihrem TikTok-Kanal ihre Gruppenaktivitäten in den Vordergrund. Über diese werden implizit politische Botschaften transportiert. Ein Video eines Gemeinschaftswochenendes verheißt jungen Menschen eine gute Zeit und Erlebnisse unter Gleichgesinnten: Bilder von sportlichen Aktivitäten in der Natur, gemeinsames Essen, aber auch Fackelmärsche. Dazu wird der Bezug zur Region, dem Vogtland, herausgestellt und u.a. über Aufnahmen von Gedenktafeln Verbundenheit zur Regionalgeschichte und Heimat ausgedrückt. Jugendliche sollen durch die positiven Bilder angesprochen und nicht nur zur Beteiligung, sondern auch zum Eintritt in die Jugendorganisation animiert werden („Komm in die NRJ!“). Dabei setzt man auf militärische Assoziationen und die Idee des Kollektivs („Reih dich ein!“). Der explizite Heimatbezug des Videos bietet zusätzliches Identifikationspotenzial für Nutzer:innen vor Ort.

Eine Verortung in der rechtsextremen Szene zeigt sich in diesem Video auch im Musikeinsatz. Die Bilder sind teils mit dem Lied „Flieg Adler, Flieg“ unterlegt. Dabei handelt es sich um einen Song der Rechtsrock-Band Heiliger Krieg, deren Mitglieder zuvor die verbotene Band Race War bildeten, und die ihre rechtsextreme Ideologie nun auf subtilere Weise und an der Grenze der Legalität präsentieren. Die Ansprache im Video vermittelt die Vorstellung eines übersteigerten völkischen Nationalismus, dem eine nicht näher bezeichnete Gefahr drohe: „Dieses Land und seine Menschen waren immer Deutsche bis ins Mark. Die Leute waren fleißig und haben es zu dem gemacht, was es heute ist. Betrachtet alles aufmerksam, denn es ist auch eure Heimat und nur eure Verbundenheit zu ihr.“ Neben den Bildern von idyllischen Landschaften wirken die illustrierenden Aufnahmen von jungen Menschen bei sportlichen Betätigungen (inkl. Bogenschießen) vor dem Hintergrund wie ‚Wehrertüchtigungen‘ im Namen eines Heimatschutzes oder einer Bürgerwehr. Bei der Mutterpartei „Der III. Weg“ selbst ist explizit etwa von „Massenmigration“, „Überfremdung“ und „Ausländergewalt“ sowie einem „Linksstaat“ die Rede, die Deutschland bedrohen.

Rechtsextreme „Active Clubs“: Aktions- und Propaganda-Tipps im Netz

Ein neueres Phänomen sind so genannte „Active Clubs“. In dem rechtsextremen Netzwerk werden ebenfalls scheinbar unpolitische Inhalte für die Eigenwerbung genutzt. Ursprünglich stammt die Idee der „Clubs“, die sich als harmlose jugend- und sportaffine Gruppen geben, aus gewaltbereiten neofaschistischen Kreisen in den USA. Bis zu zwölf deutsche Ableger traten bisher in Erscheinung, vereinzelt sind sie bereits auf Sozialen Medien präsent. Nennenswerte Aktivitäten sind bei den meisten Online-Auftritten allerdings bislang nicht zu beobachten.

Problematisch ist allerdings ein Video, das auf dem Telegram-Kanal des Active Clubs Germania veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine Art Schritt-für-Schritt-Anleitung für junge, politisch rechtsoffene bis rechtsextreme Menschen, die sich beteiligen, eigenständig „Active Clubs“ aufbauen und bewerben wollen bzw. sollen. Dabei werden Aspekte rechtsextremer Propaganda als solche selbst thematisiert.

Dem Video nach sei für die Promotion der „Active Clubs“ eine größtmögliche Aktivität auf den Sozialen Medien zentral. Hierüber ließen sich neue Mitglieder rekrutieren, ehemalige Aktivist:innen mobilisieren und Active Clubs einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Dies soll über reichweitenstarke Plattformen wie TikTok, Facebook, Instagram oder Twitter/X geschehen („dort Content rausballern“). Die Plattformen werden als „entscheidende Waffe im Kampf“ um die Vergrößerung der Anhängerschaft und die Verbreitung der eigenen rechtsextremen Vorstellungen angesehen. Man müsse dahin, „wo die Jugend“ sei. Hervorgehoben wird der Dienst TikTok, da hier auch Personen mit den Inhalten in Berührung kommen, die den Accounts nicht folgen. Ihnen werde der Content regelrecht in die „Timeline gespült“. Für die interne Kommunikation der Aktivist:innen sei hingegen ein Telegram-Kanal essenziell, der als Anlaufstelle fungiert und der weiteren Vernetzung dient.

Die Videos, so die Propaganda-Ratschläge, sollten Inhalte wie gemeinsame Aktivitäten zeigen: Ob Wandern, Kampfsport oder die Anreise zur Demonstration; im Mittelpunkt stünde die Erzeugung eines Gemeinschaftsgefühls. Auch das Stickern wird als sinnvolle Praxis genannt. Das Anbringen der Aufkleber sei allerdings selbst weniger von Bedeutung als dessen Inszenierung in den Sozialen Medien. Eine Strategie, die in der Vergangenheit bereits häufig von der rechtsextremen Identitären Bewegung verfolgt wurde.

Als weiterer zentraler Punkt nennt der vermummte Redner die Etablierung von Active Clubs auf regionaler Ebene. Online-Aktivismus allein reiche nicht mehr, um entsprechende Einstellungen zu erzeugen. Aktivismus müsse wieder verstärkt auf die regionale „Offline“-Ebene getragen werden. Hier gilt es, Orte für die Gemeinschaft zu schaffen, an denen sich getroffen und ausgetauscht werden kann. Internetplattformen dienen lediglich der Rekrutierung und Bewerbung der Active Clubs, der politische Aktivismus müsse jedoch vor Ort stattfinden.

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